Bei Twitter kam man heute leider kaum der Geschichte einer halbwegs bekannten Twitterin vorbei. Die Gute (ich nenne bewusst keine Namen; wer aufmerksam ist, findet die Story ganz schnell und zur Erklärung reichen auch die Eckdaten) sitzt wohl seit heute morgen im Knast, weil sie dem Staat mal eben 1800 Euro (120 Tagessätze à 15 Euro) schuldet.
Da solche Dinge ja grundsätzlich von heute auf morgen passieren wie hier: “Juten Tach! Von der Polizei sind wir, Sie kommen jetzt mal schön mit in den Knast für 4 Monate.” und nicht zufälligerweise zunächst einmal Verhandlungen stattfinden, bei denen man sich auch auf eine Ratenzahlung einigen könnte oder soziale Dienste verrichten kann (nein, ich habe damit keinerlei eigene Erfahrungen, habe es aber durch meine ehrenamtliche Arbeit im Tierheim und den Sozialstunden verrichtenden Menschen und deren Geschichten dahinter schon öfter mitbekommen, dass es so in etwa verläuft), wurde sie dann wohl eingeknastet.
Wären da nicht zwei Herren gewesen, die sich sehr rühmlich um sie gekümmert hätten, würde sie dort wohl auch die nächsten Monate schmoren. Die Netzwelt wäre aber nicht die Netzwelt, wenn das Ganze nicht weite Kreise gezogen hätte und so hat man das Geld scheinbar zusammen bekommen. Glückwunsch...gelernt haben wird die Gute daraus vermutlich nichts.
Theoretisch könnte ich hier bereits beenden, aber die Art und Weise, wie man darauf aufmerksam gemacht wurde, fand ich teilweise schon sehr dreist. Selbsternannte vermeintliche Elite ruft im Blog dazu auf, für diese Dame alias “eine Freundin”, die scheinbar gar nichts mehr im Griff zu haben schien, außer ihren Twitteraccount, zu spenden. Jawohl, 1800 Euro...und sie wissen/wussten nicht einmal, was das Madämchen überhaupt verbrochen hat.
Der eine rühmt sich, ein 70-Stunden-arbeitender Unternehmer zu sein, der andere Autor. Liebe Leute, wenn ICH eine Freundin hätte, die in Not wäre und mich noch so herausstelle, was ich alles tue, um mein Geld zu verdienen, würde ich sicher NIEMANDEN da draußen mit solchen Spendenbetteleien belästigen, sondern die Kohle zusammenkratzen und still und leise helfen. Punkt. Keine Pointe.
Auch ich hatte - wie vermutlich fast jeder - schon mal finanzielle Engpässe und Probleme, aber andere ausbaden zu lassen, was man selbst verbockt hat?
Was hätte sie denn für Möglichkeiten gehabt?
a) Versucht man das zunächst selbst zu regeln, indem man bezahlt, zur Not auch in Raten
b) Sollte man nicht warten, bis es 5 vor 12 ist
c) Hätte sie ihre Bank bitten können, einen Dispo einzurichten oder kurzfristig einen Kredit beantragen
d) Könnte man seine Wohnung entrümpeln und auf den nächsten Flohmarkt stiefeln oder Dinge bei Ebay verkaufen
e) Verwandte und/oder Freunde um Hilfe bitten
f) Bei einer rechtskräftigen Verurteilung hätte sie auch Sozialstunden ableisten können (kostet außer Zeit nichts)
g) Wenn nichts mehr gegangen wär, einen Schuldenberater aufsuchen und ggf. ein Verbraucherinsolvenzverfahren einleiten lassen?
Sicher gibt es noch Punkte dazwischen, die man hätte probieren können. Was davon passiert ist, weiß ich nicht. Ein Tweet vom 7. April der besagte “Wenn ihr nichts mehr von mir hört, bin ich im Knast oder auf der Flucht. Aus Gründen.” lässt jedoch im Nachhinein tiefer blicken als man zu diesem Zeitpunkt vielleicht geahnt hätte. Von April bis Juli sind immerhin 3 Monate vergangen, in denen Fotos, fröhliche und weniger fröhliche Tweets über Ex-Freunde & Co. verfasst wurden. Zeit, die man vielleicht zum Abbau dieses Betrages hätte nutzen können. Für die Kritiker: ja, ich weiß, ich kenne ihre Situation nicht, aber ich finde, sie hat es sich etwas sehr einfach gemacht mit ihrem Hilferuf über Twitter.
1800 Euro Strafe erhält man nicht für einmal Kaugummi klauen oder schwarz fahren. Falls sie beispielsweise unter Alkoholeinfluss Auto gefahren wäre und Sachschaden entstanden wäre, würde ich so etwas noch viel weniger unterstützen wollen...warum gehen Spender also lediglich von einem Freundschaftsdienst aus?
Was mich aber fast am meisten geärgert hat war die Tatsache, dass jemand, der generell kein Blatt vor den Mund nimmt (was ich im übrigen guten finde), teilweise sehr pampig und fordernd den Spendenaufruf geschrieben hat. Auf sachliche Kritik wurde ebenfalls null eingegangen sondern es hagelte Beleidigungen, was ich definitiv mehr als unangebracht halte, wenn man in der Position ist, dass man von anderen etwas möchte. Aber gut, es gibt immer genügend Menschen, die an das Gute anderer glauben und wohl auch ausreichend gespendet haben, wie ich heute Abend vernehmen durfte.
Bei solchen Aktionen aber auf sein eigenes, privates (!) Konto Überweisungen fließen zu lassen, weil man auf “Hipsterscheiße” wie Paypal keine Lust hat, finde ich nur noch arrogant. Es wäre transparent für alle verlaufen. Leetchi z.B. bietet Social Gifting an (4% Gebühren bei Auszahlung fallen an), Gynny bietet Spendenaktionen an, bei denen man entweder über Links von Online Shops etwas einkaufen kann und dann ein prozentualer Anteil nach maximal 2 Tagen der Spendenaktion gutgeschrieben wird, man kann aber auch über Paypal direkt spenden. Alles offen und für jeden einsehbar.
Nun denn, die Aktion ist abgeschlossen. Aber nicht nur das Real Life bietet Platz für Unsympathen...Ein negativer Beigeschmack bleibt.
peterawiszus 59p · vor 621 Wochen
Da möchte man die ja aus Mitleid fast schon persönlich zu Ihrer Mutti fahren, gelle?
Wundert einen nur, dass die quasi 365 Tage im Jahr Ihre Mutter schwerkranke Mutter besuchen wollen.
Alles nur Lug und Trug...
aristokitten · vor 621 Wochen
Ich bin gespannt, wie die Geschichte weiter geht. Madame spaziert ja nun am Montag aus dem Gefängnis, die wird sich ja irgendwie erklären müssen. Aller Augen sind auf sie gerichtet.
aris79 1p · vor 621 Wochen
Ursu · vor 621 Wochen
Der Tweet war vom 7. April 2012 - insgesamt 15 Monate später wurde sie dann eingebuchtet.
@4zido · vor 621 Wochen
Warum genau greifst Du ein Thema, das Dich weder persönlich betrifft noch irgend etwas angeht - und scheinbar auch noch belästigt - in Deinem Blog auf, um über alle Beteiligten herzuziehen als wären sie der letzte Abschaum?
Bringt Dir das irgendeine Befriedigung? Hast Du jetzt irgend etwas erreicht? (Ausser dass jemand Deinen Blog besucht und wohl einen Kommentar hinterlässt, wow - Du bist toll.)
Ganz ehrlich: Menschen von Deinem Schlag kotzen mich zutiefst an. Bitte meide mich, wo es nur geht.
Lackier weiter Deine Nägel, leb weiter Dein Soapleben und geh anderen auf die Nüsse.
Danke.
@Sueder80 · vor 620 Wochen
Als kleine Pointe noch zum Schluss: Die Dame hat wohl laut ihren Tweets noch im Juni einen Urlaub für August gebucht.
Eine Kanutour in Schweden...
Conny · vor 620 Wochen
Spenden immer gerne, aber doch nicht für jemanden, der es anscheinend darauf ankommen lies. Gerichtsvollzieher, Schuldenberater und Bänker sind alles Menschen, mit denen man reden kann und dann lässt sich eine Lösung finden.
Sorry, aber die is selber Schuld, wenn die im Knast landet. Es gibt immer Mittel und Wege an ein paar Euronen zu kommen. Und auf Ratenzahlung lassen sich im Normalfall auch alle ein.
Aber wenn man nie einen Funken Eigeninitiative zeigt... Dann muss man sowas auch mal absitzen.
My recent post Ein guter Weg um sein Englisch zu festigen
Wolf Rubinstein · vor 620 Wochen
Ja, zum Glück, oder?
Ich kann deine Reaktion verstehen, war auch mein erstes Gefühl. Ist vielleicht ein gewisser Hartherzigkeitsreflex von Menschen, die selten Hilfe gesucht haben, vielleicht auch keine Hilfe bekommen haben, wenn sie sie mal gesucht haben, die alles mit sich selbst ausmachen müssen/mussten, sich selbst 'durchbeißen' müssen/mussten. Das macht vielleicht härter, als es einem zuweilen selbst und der Umgebung gut tut.
Bin zufälig auf die Geschichte gestoßen, über das Unsympathennetzwerk bei Kachelmann. Hab mir dann dieses @AliceVanWunder-Schlampem-Monster angeschaut, war ziemlich enttäuschend, ist ja einfach nur ein verpeiltes junges Mädel mit ein paar Problemen und zahlreichen schönen, vollkommen schlampenunwürdigen Fotos. Na ja, Internet halt, immer nur falsche Versprechungen.
Also im Nachhinein finde ich die Sache OK, ist für das Mädle vielleicht ganz gut, könnte daraus möglicherweise viel mehr lernen, als aus vier Monate Knast. Für manche Menschen, besonders die zähen, ist unerwartet entgegengebrachte Zuneigung und Solidaität viel aufwühlender, als irgendeine Strafe. Strafe löst da eher einen Leckt-mich-doch-ihr-könnt mir-gar-nix-Reflex aus, besonders, wenn sie abgesessen ist.
Und wenn man bedenkt, dass so eine kleine Abenteuer-Haft-Auszeit den Staat > 100 Euro pro Tag kostet, war das auch eine gute Aktion für den deutschen Steuerzahler. Sollte man nur nicht zu oft machen.
TheCreamInMyCoffee · vor 620 Wochen
My recent post Die Geschichte von der Twitter-Nutzerin, die ganz überraschend ins Gefängnis musste – eine Satire in 3 Akten
Desiree · vor 620 Wochen
Lass dich nicht von all diesen Menschen unterkriegen. Jeder vernünftig denkende Mensch empfindet das, was passiert ist, als eine Ungeheuerlichkeit sondergleichen, mit der man selbst wohl nicht mehr in den Spiegel schauen könnte. Mein Kompliment für diesen Beitrag und ich ziehe meinen Hut. Das ist nicht sarkastisch gemeint, sondern mein voller Ernst.